Der einzelne Strafgefangene muss keinen Gnadenantrag stellen, allerdings scheidet eine vorzeitige Entlassung aus, wenn der Strafgefangene mit der Entlassung nicht einverstanden ist. In diesem Jahr sind in Hessen bislang 93 inhaftierte Personen (Stand: 13. Dezember 2023) aus Anlass des Weihnachtsfestes im Gnadenwege entlassen worden. Das Gnadenrecht folgt aus der Hessischen Verfassung.
Vorzeitige Entlassung unter bestimmten Voraussetzungen
Justizminister Roman Poseck führte aus: „Auch in Hessen ist es, wie in den meisten Bundesländern, lange Tradition, Strafgefangene, deren Freiheitsstrafe vor oder zu Weihnachten endet, unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Gnade vorzeitig zu entlassen. Wir wollen den Gefangenen, deren Haftstrafe in den letzten Wochen des Jahres enden würde, ermöglichen, das Weihnachtsfest mit ihrer Familie zu verbringen. Zudem sollen die Inhaftierten die Möglichkeit bekommen, Hilfsangebote zu nutzen und Beratungsstellen aufzusuchen sowie Behördengänge zu erledigen, bevor diese wegen der Feiertage gar nicht oder kaum zu erreichen sind. So gelingt es ihnen, ein soziales Umfeld aufzubauen, was für eine erfolgreiche Resozialisierung von besonderer Bedeutung ist. “
Grundsätzlich kommen alle Strafgefangene für einen Gnadenerweis in Betracht, die eine von einem Gericht des Landes Hessen verhängte zeitige Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe oder einen Strafarrest in einer Justizvollzugsanstalt des Landes Hessen verbüßen und deren Strafende in die Zeit vom 24. November 2023 bis einschließlich 1. Januar 2024 fällt. Ausgenommen vom Gnadenerweis sind zum Beispiel Gefangene, die eine Freiheitsstrafe, Gesamtfreiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder eine Freiheitsstrafe, Gesamtfreiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer der in § 181b StGB genannten Straftaten (das sind insbesondere Taten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern) verbüßen. Auch wenn eine Anschlussvollstreckung vorgesehen ist (zum Beispiel Untersuchungshaft in einem anderen Verfahren) scheidet ein Gnadenerweis aus.
Vollstreckungsbehörden können Ersatzfreiheitsstrafen erlassen
Das Ministerium hat darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, dass die Vollstreckungsbehörden Ersatzfreiheitsstrafen von bis zu 90 Tagessätzen erlassen können, sofern diese infolge der Corona-Pandemie bislang nicht vollstreckt werden konnten. In der Coronazeit war die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen über 22 Monate ganz und über 16 Monate teilweise unterbrochen. Erst im Laufe des Jahres 2023 wurde die Vollstreckung von neuen Ersatzfreiheitsstrafen wieder in vollem Umfang eröffnet. Die Unterbrechung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen während der Pandemie war erforderlich, um Infektionsrisiken in der besonderen Umgebung des Justizvollzuges zu reduzieren und damit die Funktionsfähigkeit der Haftanstalten aufrechtzuerhalten. Der Schwerpunkt lag in dieser Zeit darauf, die Vollstreckung von (normalen) Freiheitsstrafen und der Untersuchungshaft zu gewährleisten.
Der gnadenweise Erlass von Ersatzfreiheitsstrafen umfasst nur solche bis zu 90 Tagessätzen. Das sind Strafen, die auch nicht in ein Führungszeugnis eingetragen werden. Ausgenommen sind auch bei Strafen von bis zu 90 Tagessätzen Verurteilungen aufgrund bestimmter Delikte, so zum Beispiel aufgrund von Verstößen gegen das Aufenthalts- oder Waffengesetz, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamten, wegen Landfriedensbruchs, wegen Sexualdelikten oder wegen politischer Straftaten. Auch Wiederholungstäter sind von der Möglichkeit des gnadenweisen Straferlasses ausgenommen.
„Der Gnadenerlass von den Ersatzfreiheitsstrafen in den genannten Fällen ist ein Gebot der Humanität. Wir wollen vermeiden, dass Täter noch Jahre später aufgrund einer eher geringfügigen Tat aus ihrer Umgebung, die sich möglicherweise inzwischen stabilisiert hat, zur Verbüßung einer Haftstrafe herausgerissen werden, ohne dass sie die erheblichen coronabedingten Verzögerungen bei der Vollstreckung ihrer Strafe zu vertreten haben. Corona hat auch in diesem Bereich zu einer Ausnahmekonstellation geführt. Hessen folgt mit diesem Weg hinsichtlich der in der Coronazeit aufgelaufenen Ersatzfreiheitsstrafen auch dem Vorbild anderer Bundesländer,“ erklärte Roman Poseck abschließend.